In diesem Blogartikel geht es darum, wie du Bindungstrauma überwinden kannst. Wenn wir durch bestimmte Ereignisse Bindungstrauma entwickelt haben, ist es als erwachsene Person oft schwer, Beziehungen aufzubauen und vor allem auch langfristig aufrecht zu erhalten. Das kann besonders im Liebesleben zu schmerzhaften Erfahrungen führen.
Bindungstrauma ist wie eine Mauer, die uns immer wieder dieselben Loops laufen lässt, obwohl wir sehr gerne eine erfüllende feste Beziehung führen möchten. Doch im Unterbewusstsein wirkt das Programm der unsicheren Bindung zu sehr, sodass es einfach nicht gelingt.
Lies also gerne diesen Artikel, wenn du Bindungstrauma besser verstehen willst und Wege kennenlernen möchtest, diese Wunden aufzuarbeiten und von einem unsicheren Bindungsstil in einen sicheren Bindungsstil zu wechseln.
Was ist Bindungstrauma und wie entsteht es?
Bindungstrauma bedeutet, dass es irgendwo in den frühkindlichen Beziehungen einen Bruch gab. Das kann zum Beispiel so ausgesehen haben, dass Mutter oder Vater physisch oder emotional abwesend waren.
Der Klassiker: Der Vater, der die Familie verlassen hat, prägt dann im erwachsenen Alter die Frau, die irgendwie immer nur an Männer gerät, die es nicht ernst mit ihr meinen. Oder die Mutter, die sich emotional zu sehr an ihren Sohn klammert, prägt den Sohn, der dann als Mann alle Frauen auf Abstand hält, weil er so sehr Angst davor hat, wieder so eingeengt zu werden.
Bindungstrauma kann darüber hinaus sehr viele komplexe Facetten haben. Wenn ein Elternteil wirklich physisch abwesend war, ist es leicht, zu erkennen und zu verstehen, dass hier eine Wunde ist, weil etwas gefehlt hat. Wenn aber zum Beispiel beide Eltern da waren, aber einfach keine emotionalen Kapazitäten hatten für das Kind, wird das Bindungstrauma deutlich undurchsichtiger.
Generell kann man sagen, Bindungstrauma entsteht, wenn Kinder zu viel von dem Falschen oder zu wenig von dem Richtigen bekommen haben.
Was ist damit gemeint?
Kinder, die in einem relevanten Bereich etwas wichtiges nicht bekommen haben – Liebe, Zuneigung, körperliche Nähe, emotionalen Support und Verständnis – entwickeln sehr wahrscheinlich Bindungstrauma.
Natürlich kommt es hier auch darauf an, inwiefern andere Beziehungspersonen diese Bedürfnisse auffangen. Wenn ein Kind beispielsweise einen tollen unterstützenden Freundeskreis oder zugewandte ErzieherInnen und LehrerInnen hat, kann es trotz der unsicheren Bindungserfahrungen mit den Eltern andere sichere Bindungserfahrungen sammeln.
Das sollte im Hinterkopf behalten werden, wenn man die Auswirkungen im erwachsenen Alter betrachtet.
Neben der emotionalen oder physischen Vernachlässigung durch die Eltern ist es auch möglich, dass Kinder zwar keinerlei emotionale Unterstützung von den Eltern bekommen, aber auf der anderen Seite immer für die Eltern da sein sollen. Zum Beispiel kann das so aussehen, dass die Mutter ihre Tochter wie eine Freundin behandelt und ihr dauernd von ihren Problemen erzählt, dabei aber keinen Raum für die Bedürfnisse des Kindes lässt. Generell ist ein Kind nicht dafür da, die Probleme der Eltern zu tragen. Wenn das jedoch übermäßig erwartet wird, trägt das Kind zu früh Verantwortung und kann sich nicht kindgerecht entwickeln.
Es lernt, dass es keine eigenen Bedürfnisse haben darf, aber für die Bedürfnisse der anderen immer da sein muss. Da Kinder existenziell auf die Liebe ihrer Eltern angewiesen sind, würden sie auch so gut wie alles tun, um diese zu bekommen. Sogar wenn das, was sie dafür tun müssen, sehr ungesund ist.
Wenn die Eltern emotional unreif sind, das heißt, sie verstehen nicht, dass sie selbst ihre Emotionen regulieren müssen und für das Kind und seine Gefühle da sein sollten und nicht umgekehrt, dann kommt es zu einer Verdrehung. Das Kind lernt zu früh, erwachsen zu sein. Es lernt, alles mit sich selbst auszumachen und niemals nach Hilfe fragen zu dürfen. Es lernt, das Beziehungen anstrengend sind, weil es keine Grenzen setzen darf und immer nur geben muss.
Ängstlicher und vermeidender Bindungsstil
Es wird zwischen verschiedenen unsichereren Bindungsstilen unterschieden. Generell mochte ich dazu sagen, dass wir meiner Erfahrung nach, solange wir noch keinen sicheren Bindungsstil haben, meist zwischen ängstlichem und vermeidendem Bindungsstil hin- und her pendeln.
Der ängstliche Bindungsstil entwickelt sich eher durch Verlusterfahrungen. Kinder, die nicht genug Aufmerksamkeit und Liebe von ihren Eltern bekommen haben, werden oft zu Erwachsenen, die Angst davor haben, nicht gut genug zu sein und verlassen zu werden. Das kann sich dann in Verhalten wie extremen Klammern oder Kontrollbedürfnis dem Partner gegenüber zeigen. Die Beziehung fühlt sich immer irgendwie unsicher an und am Ende wird diese Unsicherheit oft zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Verbindungen fühlen sich nicht befriedigend an und die Person bleibt immer in einem emotionalen Loch zurück und hat das Gefühl, sie hat nicht genug bekommen. Selbst wenn der Partner sehr gebend ist, kann die Kindheitserfahrung, nicht genug bekommen zu haben, so tief sitzen, dass sie alles überfärbt. Selbst wenn der Partner sehr zuverlässig ist, kann die Angst, verlassen zu werden, so groß sein, dass sie die Person auffrisst.
Der vermeidende Bindungsstil entwickelt sich eher, wenn Kinder keine Grenzen haben durften und für die emotionalen Bedürfnisse ihrer Bezugspersonen verantwortlich gemacht wurden. Aus diesen Kindheitserfahrungen resultiert oft das Beziehungsbild, dass Beziehungen grundsätzlich überfordernd und anstrengend sind. Wegen dieser Erwartung ist es dann oftmals leichter und angenehmer, ohne signifikante Beziehung zu leben und alle auf Abstand zu halten. Auch viele Menschen, die vermeintlich Freiheit und freie Liebe zelebrieren, sind eigentlich in dieser Wunde gefangen.
Das Nervensystem ist aktiviert, sobald die andere Person nur in der Nähe ist und die betreffende Person kann sich eigentlich nur wenn sie alleine ist so richtig gut entspannen. Deshalb sucht sie oft Abstand und empfindet Konflikte und Anforderungen der Beziehungsperson als einengend, sodass sie sich schnell zurückzieht und Beziehungen abbricht. Im Kontakt fällt es ihr sehr schwer, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu spüren und selbst wenn sie wahrgenommen werden, liegt ein großes Verbot darauf, dem Partner gegenüber diese auszusprechen, sodass am Ende Flucht oft die einzige Lösung ist.
Vermeidender Bindungsstil ist öfter, aber nicht ausschließlich, bei Männern beobachtbar und ängstlicher Bindungsstil findet sich häufiger, aber nicht ausschließlich, bei Frauen.
Wenn Frauen einen vermeidenden Bindungsstil haben, dann ist das oft ein passiv vermeidender Bindungsstil. Das heißt, sie suchen sich vermeidende Männer aus, weil sie selbst vermeidend sind. Bewusst denken sie, sie suchen eine feste Beziehung. Unbewusst ist aber die Angst Genau vor dieser Beziehung so groß, dass sie komischerweise immer nur Männer kennenlernen, die kein offenes Herz haben.
Was der Grund dafür ist, bleibt spekulativ. Natürlich ist es gesellschaftlich eher okay für einen Mann, nur lockere Affären zu haben als für eine Frau, keine feste Beziehung zu wollen.
Wenn wir unser eigenes Bindungstrauma erkennen und dann auch überwinden wollen, ist radikale Ehrlichkeit mit uns selbst so wichtig. Alles, was wir in unserem Leben haben, wollen wir tief in uns. Im Hier und Jetzt, mit den Programmen und Traumata, die im Unterbewusstsein schlummern, ist genau das Leben, was du gerade führst, deine beste Wahl.
Wenn das schmerzt, dann ist es Zeit, etwas tief in dir zu ändern.
Wie können wir zu einer sicheren Bindung wechseln?
Unser Bindungstrauma überwinden und somit von einem unsicheren Bindungsstil in einen sicheren Bindungsstil zu wechseln, ist für jeden Menschen möglich.
Lies den letzten Satz nochmal. Wenn du auf diesen Artikel gestoßen bist, dann hast du dich wahrscheinlich schon sehr viel mit dir selbst auseinandergesetzt und ein gewisses Maß an Zeit und Energie in das Aufarbeiten deiner Probleme gesteckt. Vielleicht bist du frustriert und hoffnungslos und vielleicht schlummert allmählich ganz tief in dir der Verdacht, dass du einfach für immer defekt bleibst.
Natürlich bist du das nicht und auch das, was du heute noch als Mangel erfährst in deinem Leben, kannst du morgen schon in der größten Fülle vorfinden. Meiner Erfahrung nach sind tatsächlich genau die Bereiche, in denen wir ursprünglich den größten Mangel haben, die Bereiche, in denen wir das Potential für die größte Fülle in uns tragen.
Ob wir dieses Potential verwirklichen, hängt von unseren Lebensentscheidungen und unserer Disziplin ab.
Schritt 1: Selbst-Beobachtung
Im ersten Schritt beobachtest du dich und dein Verhalten in Beziehungen. Du identifizierst dein Bindungsverhalten.
Wenn du dich im unsicheren Bindungsspektrum verortest, dann beobachte genau, ob du eher vermeidend oder ängstlich agierst. Du kannst zum Beispiel in Freundschaften eher vermeidend sein und in Beziehungen eher ängstlich.
Oder du bist beim Dating mal ängstlich und wenn du damit auf die Nase fällst, dann verhältst du dich beim nächsten Mal wieder eher vermeidend. Denk daran, solange wir keinen sicheren Bindungsstil haben, wechseln wir meistens zwischen den unsicheren Bindungsstilen hin und her.
Wenn du also dein Verhalten in Beziehungen und Freundschaften kristallklar analysiert hast, können wir zum nächsten Schritt übergehen.
Schritt 2: Ursachenforschung
Es ist lästig und ich sage auf keinen Fall, du sollst jahrelang zur Psychotherapie rennen, aber: wir müssen erkennen, wieso etwas so ist, wie es ist, bevor wir es verändern können.
Warum das so ist? Keine Ahnung, aber ich kann dir aus meiner ganzen Erfahrung als Heilerin sagen, dass es immer so ist. In jedem Reading wird mir die Ursache des Problems gezeigt, damit ich sie dem Menschen sage, bevor wir es auflösen können. Wenn wir es nicht tun, stecken wir in einem ewigen Teufelskreis fest, wo uns immer wieder das Gleiche passiert.
Kennst du diese eine Person, die immer in unterschiedlichen Beziehungen ist, aber sie hat mit allen Partnern genau das gleiche Problem? Diese Person willst du nicht sein oder – also höre jetzt genau hin: Wo kommt dein unsicheres Bindungsverhalten her?
Um Bindungstrauma überwinden zu können, ist diese Ursachenforschung sehr wichtig.
Reflexionsfragen, um das zu erforschen, können sein:
-Wie war die Beziehung deiner Eltern? (Waren sie glücklich miteinander, haben sie oft gestritten, sich gegenseitig gut behandelt, etc.)
-Haben deine Eltern deine Grenzen überschritten? (Räumlich, emotional, etc.)
-Hast du dich als Kind oft (emotional) allein gelassen gefühlt? (Wie haben deine Eltern auf deine Bedürfnisse und Gefühle reagiert?)
-Was haben dir wichtige Bezugspersonen über Liebe erzählt? (Liebe tut weh, Männer sind Schweine, etc.)
Die Kernwunden bewusst zu haben, ist ein elementarer Schritt, ohne den keine Heilung möglich ist.
Schritt 3: Pain Release
In deiner Reise des Bindungstrauma überwindens geht es nun im nächsten Schritt darum, die unangenehmen Gefühle, die mit diesen Wunden verbunden sind, zu fühlen.
Stell dir zum Beispiel einen Wecker auf 10 Minuten, mach dir emotionale Musik an und gehe voll rein in den Schmerz. Für 10 Minuten kann man alles aushalten oder?
Du wirst überrascht sein, wie viel klarer, glücklicher und leichter du dich danach fühlst. Uns wird im Leben immer wieder das Gleiche passieren, bis wir bereit sind, den Ursprungsschmerz zu fühlen und das Thema gehen zu lassen.
Schritt 4: Practice
Im nächsten Schritt beobachtest du dein Verhalten in Beziehungen und übst, dich anders zu verhalten.
Du wirst wahrscheinlich nicht auf einmal völlig neue Leute anziehen, also arbeite mit dem, was da ist.
Wenn du selbst unsicheres Bindungsverhalten hast wirst du kaum anziehen, der ein sicherer Bindungstyp ist.
Also solltest du dich für die Menschen entscheiden, die bereit sind, mit dir zusammen zu wachsen und an den Themen zu arbeiten.
Es liegt an dir, dich anders zu verhalten, als du es bisher getan hast. Wenn du beispielsweise zu vermeidendem Verhalten neigst, versuche anders mit deinen Triggern umzugehen. Wenn du das nächste Mal weglaufen willst, weil sich alles so einengend anfühlt, gehe stattdessen ins Gefühl. Kommuniziere deine Grenzen, erinnere dich, dass du jetzt erwachsen bist und Grenzen setzen darfst, dass deine Bezugsperson jemand anders ist als deine Mutter, etc.
Wenn du zu ängstlichem Verhalten neigst, dann lerne, dich selbst zu halten und die Grenzen von anderen zu respektieren. Fühle deine Angst vorm Verlassenwerden, anstatt zu klammern.
Projiziere deine Angst aus der Vergangenheit nicht in die Gegenwart.
Sage auf der anderen Seite auch ganz klar „Nein“ zu Leuten, die deine Bedürfnisse nicht erfüllen und dich wirklich zu sehr auf Abstand halten.
Dieser Schritt ist natürlich viel komplexer, als ich es hier in einem Blogartikel darstellen könnte. Was du brauchst, um deine Gefühle, Muster und dein Verhalten zu verändern, kommt auf dich und deine ganz persönliche Geschichte an.
Wenn du es allein schaffst, dein Bindungstrauma zu überwinden: Wunderbar. Wenn nicht: Hole dir Hilfe.
Wenn wir Bindungstrauma überwinden wollen, geht es auch darum, wieder zu lernen, unser inneren Stimme zu vertrauen. Die Stimme, die dir glasklar sagt, was du eigentlich brauchst, um glücklich zu sein.
Die Stimme, die weiß, wie deine Bedürfnisse aussehen und wo deine Grenzen liegen und wie da dahin kommst, wo du sein willst. Vertrau dir selbst und dann kannst du auch langsam wieder anderen Menschen vertrauen.
Es geht darum, dass deine Entscheidung klar ist. Du entscheidest dich für sichere Bindung und das Leben wird folgen.