Abgrenzen lernen – Bleib in deiner Mitte

abgrenzen lernenPuh, abgrenzen lernen von anderen Menschen und ihren Gefühlen. Das ist ein sehr, sehr herausforderndes Thema. Es gibt wahrscheinlich viele Beispiele dafür, wann und wie die Gefühle und Gefühlsausbrüche anderer Menschen schwierig für uns sein können. Wir sind dauernd von anderen Menschen umgeben und damit auch von ihren Gefühlen.

Wenn wir uns immer mehr öffnen und feinfühliger werden, dann fühlen wir auf einmal immer mehr die Gefühle und Energien anderer Menschen. Und manchmal schleudern uns andere Menschen ihre Gefühle auch impulsiv entgegen.

Ein Beispiel für eine solche Situation erlebe ich gerade leider bei mir auf der Arbeit.

Ich habe gekündigt und hatte deswegen sowieso schon ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und Angst davor, dass irgendjemand doof reagiert. Allerdings war dann dieser jemand ein ganz anderer als ich dachte. Eine Kollegin von mir machte mich total zur Sau, nachdem sie von meiner Kündigung erfahren hat. Sie warf mir vor, ich hätte das doch schon ganz lange gewusst und es ginge ja gar nicht, mitten im Projekt zu gehen. Als ich mich dann (sachlich) ihr gegenüber erklären wollte, sagte sie wörtlich: “Bla bla bla! Das Projekt ist unser Baby und dir ist das doch alles scheiß egal!” Und dann ließ sie mich wutentbrannt stehen und ging Eine rauchen.

Ähhhh??? What???

Da war ich erstmal ziemlich baff. Warum werde ich jetzt hier so angegangen? Warum nimmt sie meine Kündigung so persönlich? Ich bin ja wohl Arbeitnehmerin und keine Sklavin – es ist mein Recht, zu kündigen.

Und ich muss echt zugeben, dass ich mich bei solchen komischen Ausbrüchen und Anschuldigungen leider auch schnell angegriffen fühle und mir so was sehr zu Herzen nehme. Seit ich meinen Weg hin zu mir selber gehe, passiert es natürlich öfter mal, dass sich jemand auf den Schlips getreten fühlt.

Das geht ja nicht, dass man einfach seinem Herzen folgt und sich selbst frei ausdrückt, es gibt ja wohl noch so was wie soziale Normen und eine davon ist, dass wir alle zusammen unglückliche unbewusste Zombies sind. Oder etwa nicht?

Die Gefühle des anderen in mich aufzunehmen, ist eigentlich ein automatisch ablaufender Irrtum.

Denn was habe ich denn damit zu tun, wenn jemand anders mich angreift?

Ich kann reflektieren, ob ich seine Anschuldigungen als wahr empfinde, aber wenn das nicht so ist, dann sollte ich diese Attacke auch nicht annehmen. Und selbst wenn ich Verständnis für seine Vorwürfe habe, geht es nicht, einen anderen Menschen so anzugreifen. Man kann alles empathisch und wertschätzend sagen.

 

Wie soll ich mit Angriffen umgehen?

Ich kann niemals verhindern, dass sich Menschen durch mein Verhalten angegriffen fühlen, dass ihnen meine Wesensart nicht ins Weltbild passt oder sonst was. Ich kann eine kleine Ms. Perfect sein (und das war ich früher) – es wird trotzdem passieren.

Es wird immer jemanden geben, der sich an mir stößt. die Frage ist nur, wie ich damit umgehe.

Dabei hilft es, die Attacke des anderen als ein Geschenk zu sehen. Stell dir vor, jemand schenkt dir zum Geburtstag etwas. Er schenkt dir zum Beispiel ein Bild. Dieses Bild findest du jetzt aber total hässlich. Du bist ein sehr ehrlicher Mensch und du hast zu dem Freund, der dir das Bild geschenkt hat, ein sehr gutes und ehrliches Verhältnis. Deshalb sagst du ihm, dass du das Bild leider nicht schön findest und deshalb das Geschenk nicht haben willst.

Wem gehört jetzt das Bild, nachdem du es abgelehnt hast – dir oder deinem Freund? DEINEM FREUND.

Und genauso verhält es sich natürlich auch mit Angriffen und Gefühlen anderer Menschen. Wenn ein anderer seinen Scheiß auf dich projiziert und dir die Verantwortung für seine Gefühle gibt, dann musst du das nicht automatisch akzeptieren.

Abgrenzen lernen – das ist der bessere Weg, damit umzugehen.

Der Weg dahin, die Gefühle der anderen die Gefühle der anderen sein zu lassen, ist ein langer und beschwerlicher Weg. Da will ich dich nicht anlügen. Wenn du wie ich ein eher sensibler und dünnhäutiger Mensch bist, dem die Gefühle und Meinungen der anderen Menschen viel bedeuten, dann ist es eine Menge Arbeit, zu lernen, sich abzugrenzen zu lernen. Aber es ist möglich – du brauchst nur etwas Beharrlichkeit.

Eine Feministin und Gleichstellungsaktivistin hat mal in einer Rede gesagt: “Wir [Frauen] müssen mal lernen, uns eine Teflonschicht zuzulegen. So, wie eine Teflonpfanne. Wir dürfen nicht immer alles so nah an uns heranlassen, sondern dürfen es auch einfach mal von uns abperlen lassen.”

Die Analogie fand ich total toll und einleuchtend. Genauso gilt das natürlich auch für Männer.

Der Punkt ist, dass man sich selbst keinen Gefallen tut, so angreifbar durchs Leben zu gehen. Anderen Menschen so viel Macht über sich zu geben und alles auf sich zu beziehen. Jeder hat seine eigene Realität. Jeder hat seinen eigenen Schmerz. Habe Mitgefühl mit den anderen und verzeihe ihnen, aber dann bleibe bei dir.

Abgrenzen lernen ist der Weg hin zur Freiheit. Nur, wenn du dich von anderen Menschen abgrenzt, kannst du dich selbst wirklich spüren. Nur, wenn du das vom anderen beim anderen lassen kannst, nimmst du überhaupt wahr, was du selbst willst.

Wenn du immer nur mit den anderen Menschen beschäftigt bist, dann bleibt kein Raum mehr für dich. Es ist ein Akt der Selbstliebe, nicht leichtfertig Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen.

Denn deine Gefühle, Meinungen und Realitäten sind die einzigen, die wirklich zählen für dich. Also lass dich nicht aus der Mitte bringen. Bleibe bei dir selbst. Om.